Alle Menschen
sind frei und
gleich
an Würde und
Rechten geboren.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, Artikel 1

11. April 2020 – 75. Jahrestag
der Befreiung der Konzentrationslager
Buchenwald und Mittelbau-Dora

Intro

Volkhard Knigge über den 75. Jahrestag

Wie schön wäre es gewesen ...

Wie schön wäre es gewesen, denke ich, derweil ich dies am 8. April 2020 schreibe. Wie schön wäre es gewesen, wenn das Coronavirus uns keinen Strich durch die Rechnung gemacht hätte und wir noch einmal mit denen hätten zusammenkommen können, die die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora am 11. April 1945 erlebt haben. Aleksandr Afanasev aus Russland wäre der Älteste gewesen, 1922 geboren, 98 Jahre alt. Aus Kanada wollte der Jüngste anreisen: Julis Idel Maslovat, geboren 1942, 78 Jahre alt. Der eine war an jenem sonnigen Apriltag vor 75 Jahren, in dessen erster Stunde nach Mitternacht aus dem KZ Buchenwald noch über den Weimarer Bahnhof ein sogenannter Häftlingsevakuierungstransport abgegangen war und an dem sich im KZ Mittelbau-Dora wegen der zuvor von der SS erzwungenen Todesmärsche kaum noch – und wenn sterbende, siechende – Häftlinge befanden, ein junger Mann von 23 Jahren. Der andere ist damals ein Kind gewesen, ein Kind von gerade einmal drei Jahren. Mit ihnen und den weiteren 40 Überlebenden, die noch einmal vorhatten, nach Weimar und nach Nordhausen zu kommen, um die Stätten ihrer geplanten Auslöschung zu besuchen, um ihre Erfahrungen mit uns zu teilen, um ihrer ermordeten Mithäftlingen zu gedenken und – trotz aller politischen und gesellschaftlichen Unrechts- und Gewalterfahrungen nach 1945 – das „Nie wieder“ zu bekräftigen, wäre der Abstand zwischen dem Damals und dem Heute geschmolzen, hätte die Vergangenheit vergangenunvergangen in die Gegenwart hineingeragt, wäre Lebensgeschichte noch einmal unmittelbar zum Argument geworden. Zum Argument gegen Verharmlosung und Leugnung, zum Argument gegen die anschwellende Rehabilitierung und Nobilitierung des altrechtsradikalen, menschenfeindlichen Denkens und Handelns in neuem Gewand. Unmittelbar erlebbar geworden wäre aber auch, dass die konkrete wahrhaftige Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und den deutschen Verbrechen einschließlich von deren Ursachen Versöhnung und Freundschaft gestiftet hat und stiftet.

Auch darauf hatte ich mich gefreut, noch einmal Freundinnen und Freunde zu treffen, die mein Leben und das so vieler anderer hier und in Deutschland überhaupt um so vieles heller und reicher gemacht haben, in mitmenschlicher, in kultureller, in politischer Perspektive – und von denen man lernen konnte und kann mutig zu sein und das Leben eines jeden Menschen als das zu erkennen, was es ist: einmalig, besonders, kostbar –, und dass eine politische Ordnung nur dann legitim und gerecht sein kann, wenn sie hierauf aufbaut, es fördert und schützt. Vor diesem Hintergrund daran zu erinnern, dass die Festigung von Demokratie und Rechtstaat in der Bundesrepublik nicht zuletzt auf der selbstkritischen Auseinandersetzung mit den Untaten, die ihr vorausgingen, beruht und dass es deshalb keinen Schlussstrich geben darf, wäre ein Anliegen der Veranstaltungen zu den Befreiungstagen gewesen. „Endlich alles vorbei?“ hatte die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau deshalb als Leitthema für diese Tage und insbesondere für die gemeinsam mit dem Deutschen Nationaltheater Weimar (DNT) konzipierte „Lange Nacht“ im DNT gewählt. Und die Antwort hätte gelautet: Nichts ist vorbei! Weder sind völkische, rechtsradikale Ideologien und der ihnen innewohnende Hass und die ihnen innewohnende Gewalt ein für alle Mal überwunden, noch hören wir – hören Menschen allerorts – auf, Menschenrechte, Demokratie und Freiheit zu verteidigen und für ein solidarisches Leben in Vielfalt einzutreten.

Zwei zentrale Gesichtspunkte waren bestimmend für die Konzeptualisierung der geplanten Veranstaltungen zu den Jahrestagen der Befreiung: Zum einen wollten wir daran erinnern – gerade heute, zu einer Zeit, in der antidemokratische, illiberale Parteien überall in Europa und darüber hinaus in Parlamente einziehen, Grundrechte einschränken und die Grenzen der Gewaltenteilung verwischen –, dass die Zerstörung der Demokratie nicht außerhalb, sondern in der Demokratie selbst ihren Anfang nimmt. Zum anderen wollten wir deutlich machen, dass trotz des unvermeidlichen Abschiedes von den Überlebenden als Zeugen des Menschheitsverbrechens – wie viele von ihnen werden im April 2021, geschweige denn in fünf Jahren aus Anlass der 80. Jahrestage der Befreiung noch kommen können? – (selbst-)kritisches Geschichtsbewusstsein und gesellschaftliches Engagement nicht an ihr Ende kommen.

Zum Ersten: Der Erfolg und die Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland beruhten nicht nur auf Gewalt und Terror. Zwar galten ihm Demokratie und rechtsstaatliche Verfassung, Gewaltenteilung und Bürgerrechte nichts. Was ihn festigte und stark machte, waren aber auch Einverständnis – wenn nicht mit allen, dann doch mit hinreichend vielen Momenten seiner Ideologie und politischen Praxis – und das positive Echo, das seine Versprechungen und gesellschaftlichen Angebote bei den Deutschen der Zeit fanden, ungeachtet dessen, dass diese und die damit verbundenen Vorteilsnahmen zu Lasten von Menschen gingen, die eben noch Nachbar*innen, Kolleg*innen oder sogar Freund*innen gewesen waren. Auf eine unheimliche Weise war der Nationalsozialismus, zuspitzend gesagt, auch demokratisch. Demokratisch nicht im eigentlichen Sinne, nicht im Sinne der liberalen, rechtsstaatlich verankerten Verfassungsdemokratie einschließlich Gewaltenteilung und garantierten Grundrechten, sondern demokratisch vielmehr in jenem berüchtigten Sinn, wie ihn etwa Carl Schmitt, der staats- und völkerrechtliche Wegbereiter Hitlers und heute ein Held der Neuen Rechten, formuliert hat: „Die politische Kraft einer Demokratie zeigt sich darin, daß sie das Fremde und Ungleiche, die Homogenität Bedrohende zu beseitigen oder fernzuhalten weiß“. Eine so verstandene „Demokratie“ als populistische Akklamation, als lautstarke, immer wieder inszenierte Verschmelzung der sogenannten „Volksgenossen“ mit ihrem Führer und schließlich als gewalttätige Ausgrenzungsmaschinerie, die Lager wie Buchenwald oder Mittelbau-Dora hervorbringt – eine solche Form von „Demokratie“ bedeutet nicht Solidarität und Freiheit, sondern ist ein menschenzerstörender Moloch: „Man muss“ – so der deutsche Buchenwaldhäftling und Autor Eugen Kogon – „den Terror in seinen Anfängen, in seinen Erscheinungsformen, in seinen Praktiken und in seinen Folgen entlarven. Denn wir wurden Zeugen davon, und werden es noch immer, wie er sich inmitten heutiger Demokratien entwickelt, wie er zur Macht kommt und sich als Demokratie selbst ausgibt, geradezu als eine Regierungsform von Freiheiten“. Dies ist und bleibt eine Aufgabe – nicht nur der Gedenkstättenarbeit.

Zum Zweiten: „Es wird keine unmittelbare Erinnerung mehr geben, kein direktes Zeugnis, kein lebendiges Gedächtnis, das Erlebnis jenes Todes wird zu Ende gegangen sein“, hat Jorge Semprún – Widerstandskämpfer, Buchenwaldhäftling, Schriftsteller – 2005 in seiner Rede zum 60. Jahrestag der Befreiung Buchenwalds im Deutschen Nationaltheater Weimar mit Blick auf den 70. Jahrestag der Befreiung 2015 gesagt. Er bezog sich damals – und das haben einige missverstanden – auf den absehbaren Abschied von den direkten Zeugnissen und dem lebendigen Gedächtnis derjenigen Frauen und Männer aus Deutschland und den Ländern Europas, die wie er politisch entschieden aktiv Widerstand leisteten und die deshalb von den Deutschen verfolgt und in die Konzentrationslager verschleppt worden waren. Er hat damit nicht nur für Buchenwald, aber auch und gerade für Buchenwald einen absehbar einschneidenden Verlust formuliert, denn das KZ Buchenwald war ein Zentralort des hinter Stacheldraht verfrachteten politischen antinazistischen Widerstands, eines Widerstands, der ungeachtet einzelner Motive, auch heute, gerade heute inspirieren und ermutigen kann. Jorge Semprún hat in seiner Rede vor 15 Jahren nicht nur diesen absehbaren Abschied angesprochen, sondern hinzugefügt: „Das jüdische Gedächtnis an die Lager wird langlebiger, wird sehr viel dauerhafter sein. Dies aus dem einfachen Grund: Weil es deportierte jüdische Kinder gab, Tausende und Zehntausende, während es keine deportierten Kinder aus dem politischen Widerstand gab. Die Erinnerung an die Nazilager, die am längsten überleben wird, ist also die jüdische Erinnerung. Sie bleibt nicht nur auf die Erfahrung in Auschwitz oder Birkenau beschränkt. Seit 1945 wurden nämlich wegen des Vormarsches der sowjetischen Armee Tausende und Abertausende deportierter Juden in die Lager Mitteldeutschlands evakuiert. So wird vermutlich in der Erinnerung der jüdischen Kinder und Jugendlichen, die wahrscheinlich auch in zehn Jahren, 2015, noch leben werden, ein globales Bild von der Vernichtung, eine universelle Reflexion fortbestehen. (....) Alle diese europäischen Erinnerungen an den Widerstand und an das Leiden werden in zehn Jahren als letzten Schutz und Zufluchtstätte nur noch die jüdische Erinnerung haben, das älteste Gedächtnis an jene Erfahrung, denn es war das jüngste Erleben vom Tod.“ Noch einmal hätte sich also an den 75. Jahrestagen der Befreiung im April 2020 – in den Worten Semprúns – „das jüngste Erleben vom Tod“ in Weimar und Buchenwald, in Nordhausen und Mittelbau-Dora versammelt, und es wäre nun spätestens uns Aufforderung gewesen, zukünftig „letzter Schutz und Zufluchtstätte“ zu sein. Wir – und damit meine ich nicht nur die Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und ihre Mitarbeiter*innen, sondern alle in Gesellschaft, Kultur, Kunst, Wissenschaft, Kirchen und Politik, die die Veranstaltungen aus Anlass der 75. Jahrestage mitgestaltet und mitgetragen hätten, einschließlich der vielen, die darüber hinaus Anteil genommen hätten –, wir alle hätten gerne noch einmal den Überlebenden, aber auch jenen, die eine absolute Kehrtwende der Erinnerungskultur fordern, gezeigt, dass wir diese Aufgabe aufmerksam und überzeugt ernst nehmen und weiter ernst nehmen werden. Das sind wir nicht nur den – zu unseren Freundinnen und Freunden gewordenen – Überlebenden schuldig. Das sind wir nicht nur den von den Unseren verfolgten und ermordeten Frauen, Männern und Kindern schuldig. Das sind wir auch uns selbst und denen, die nach uns kommen, schuldig.

Damit komme ich noch einmal auf Carl Schmitt zurück. Die KZ Buchenwald und Mittelbau-Dora waren, wie überhaupt das System der nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager, Orte und Maschinerien des Beseitigens und Fernhaltens ganz in seinem Sinn. In dieser menschenverachtenden, von den Nationalsozialisten zum Äußersten radikalisierten Perspektive waren sie ebenso gerechtfertigt wie erforderlich, um die angestrebte völkisch-rassistische Gleichheit und Homogenität zuerst in Deutschland und dann unter deutscher (Besatzungs-)Herrschaft in ganz Europa zu schaffen. Die deutschen Nationalsozialisten propagierten – an vorhandene völkische Denkweisen anknüpfend und diese radikalisierend – das politisch-gesellschaftliche Endziel einer absolut „rassereinen“, von allen „Fremden“ durch Ausgrenzung gesäuberten und deshalb angeblich harmonischen „Volksgemeinschaft“, ein angebliches Paradies frei von allen sozialen und politischen Konflikten. In Wirklichkeit aber beruhte dieses von ihnen versprochene „Paradies“ auf Gewalt, und es produzierte, der Logik politischer und rassischer Säuberung verpflichtet, fortwährend neue und gesteigerte Gewalt. Deshalb war das Versprechen von Anfang an verlogen und vergiftet. Davon zeugt auch das Schicksal der 330.000 Menschen, die in die KZ Buchenwald und Mittelbau-Dora und in deren Außenlager verfrachtet und dort gequält wurden. Davon zeugen die über 72.000 Toten beider Lager. Wer den Schlussstrich fordert, will hiervon nichts wissen oder sogar diese Erfahrung löschen, damit die zerstörerischen politischen Gifte von Gestern heute um so leichter als Allheilmittel angepriesen werden können. Aber wäre es wirklich erstrebenswert und ein glückliches Leben verbürgend, unter politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen zu leben, die nicht darauf aufbauen, dass „alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren“sind?

Zu den Herzstücken der Veranstaltungen aus Anlass der 75. Befreiungstage der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora gehörte aus diesem Grund die von den Repräsentanten der höchsten Verfassungsorgane des Freistaates Thüringen – dem Ministerpräsidenten, der Landtagspräsidentin und dem Präsidenten des Thüringer Verfassungsgerichtshofes – und der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora gemeinsam auf den Weg gebrachte „Thüringer Erklärung“. Sie wäre im Rahmen des großen feierlichen Gedenkaktes des Freistaates am 5. April im Deutschen Nationaltheater Weimar der Öffentlichkeit übergeben worden, im Beisein der Überlebenden und als konkretes, selbstverpflichtendes und orientierendes Zeichen dafür, dass die historische Erinnerung an den Nationalsozialismus und die seinen Verbrechen zum Opfer gefallen Menschen auch nach dem Erlöschen des lebendigen Gedächtnisses Zukunft haben muss und Zukunft haben wird. Als Erstunterzeichner mit gezeichnet haben die Erklärung die drei überlebenden Zeug*innen, die während des Gedenkaktes im Nationaltheater – dem Ort, an dem 1919 die demokratisch gewählte verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung die Verfassung der Weimarer Republik ausarbeitete und verabschiedete – gesprochen hätten. Nun – da der Gedenkakt wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden kann – ist diese Erklärung am historischen Tag der Befreiungen – dem 11. April 2020 – bundesweit publiziert worden und auch auf dieser Webseite präsent. Alle Menschen guten Willens sind eingeladen, sie mit zu unterzeichnen und damit ein deutliches Zeichen zu setzen – für eine demokratische und solidarische Zukunft, in der Hass, Rassismus und autoritäre Politik keinen Platz haben.

Die Webseite gibt auch, so gut das möglich ist, die Reden wieder, die während des Gedenkaktes und der sich anschließenden Kranzniederlegung auf dem Appellplatz des ehemaligen KZ Buchenwald am 5. April und dann während der Gedenkfeier am 7. April vor dem Krematorium im ehemaligen KZ Mittelbau-Dora gehalten worden wären. Nicht wiedergeben kann sie die Vielzahl der Veranstaltungen, die in Weimar und Nordhausen und in den beiden Gedenkstätten von Mitte März an bis in den Mai hinein stattgefunden hätten: Ausstellungen, Lesungen, Vorträge, Filmabende, Diskussionsrunden, thematische Führungen und vieles mehr – in Kooperation mit Vielen. Die gesellschaftliche Breite, von der diese Veranstaltungen getragen worden wären, scheint unter der Rubrik „Mitwirkende / Dank“ zumindest auf.

Zwei Veranstaltungen seien hervorgehoben, weil sie über sich hinaus für etwas Paradigmatisches stehen. Am 4. April 2020 wäre der Beginn des Umbaus des ehemaligen nationalsozialistischen Gauforums in Weimar vor Ort und mit einem Umzug durch die Stadt gefeiert worden. Im „Gauforum“ wird zukünftig die gemeinsam von den Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erarbeitete Ausstellung „Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ dauerhaft gezeigt werden – als ein elementarer Beitrag zur Aufklärung über eines der größten NS-Verbrechen. Erst 1999 offiziell von deutscher Seite als solches anerkannt, sind von diesem Verbrechen, das der Thüringer Gauleiter Fritz Sauckel als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz administriert hat, 20 Millionen Menschen betroffen worden. Zusammen mit dem von der Klassik Stiftung Weimar 2019 eröffneten Bauhaus-Museum und dem in Verbindung damit neukonzipierten Neuem Museum Weimar wird die Ausstellung einen Eckpfeiler im neuen Museumsquartier zur – ambivalenten – Moderne in Weimar bilden. Dass mit dieser Ausstellung nicht nur das „Gauforum“ endlich umfassend gegen den Strich gebürstet wird, und dass sie zugleich in guter Nachbarschaft mit dem im „Gauforum“ untergebrachten Landesverwaltungsamt und in Zusammenarbeit mit der Klassik Stiftung und der Stadt Weimar entsteht, ist – ganz im Sinne der „Thüringer Erklärung“ und des Mottos „Endlich alles vorbei?“ – ein handfestes Signal.

Im Anschluss an die Feier zum Baustart der Zwangsarbeits-Ausstellung hätte im Deutschen Nationaltheater Weimar die „Lange Nacht“ zu den Jahrestagen begonnen. Vor 5 Jahren – zum 70. Jahrestag der Befreiungen Buchenwalds und Mittelbau-Doras – haben das Deutsche Nationaltheater und die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora schon einmal gemeinsam eine „Lange Nacht“ konzipiert und veranstaltet, damals unter dem Motto „Alles wieder gut?“. Über tausend Menschen, insbesondere auch junge Menschen, haben sich daran beteiligt – ernsthaft und fröhlich, nachdenklich und berührt, sich gegenseitig ermutigend Flagge und Gesicht zu zeigen. Einmal mehr hätten wir gerne mit Hilfe dieses neuen Formates daran weitergearbeitet, Gedenkveranstaltungen sowohl in ihrem notwendig rituellen Charakter sehr ernst zu nehmen als auch sie darin nicht aufgehen und erstarren zu lassen. Gedenken lässt sich von der selbstkritischen Auseinandersetzung mit den inhumanen Potentialen und Tendenzen der eigenen Zeit nicht trennen, wenn es glaubhaft und wirksam sein und bleiben soll. In diesem Sinne sind wir froh, dass die Träger und Zuwendungsgeber der Stiftung – das Land Thüringen und der Bund – ohne zu zögern mit uns übereinstimmten, die Begegnung mit den Überlebenden sobald als möglich nachzuholen, und dass sie die für dieses Jahr bereitgestellten Sondermittel für die Gestaltung der 76. Jahrestage der Befreiungen im April 2021 erneut zur Verfügung stellen werden – damit das, was in diesem Jahr nicht stattfinden konnte, so gut es geht nachgeholt werden kann.

Volkhard Knigge